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Hallo Friedemann und Wolfgang,
um zunächst auf die eingangs gestellte Frage einzugehen:
Im Oktober 1940 erschien ein 8-seitiger, kleiner (205 mm x 150 mm) Prospekt
MÄRKLIN METALLBAUKASTEN, der folgendes Sortiment vorstellte:
- MINEX Kasten: 01, 01 A, 02, 02 A, 03 und Motor 0301
- MÄRKLIN Metallbaukasten: 00 F ... 6 F; 00 AF ... 4 AF, 5 AAF, 5 ABF, 5 AF; Motoren 200 F, 201 F, 202 F; 401 F, 402 F; 1301 MF, 1301 F
- MARBI: 601, 601A, Motor 650
- Flugzeug-Baukasten: 1151, 1151A, 1152, Motor 1159
- Auto-Baukasten: 1101 C, 1103 St, 1104 P, 1105 L, 1106 T, 1107 R, 1108 G, 1133 Al, 133 R; Zubehör 1110 B. 1109 M, 99 R
- ELEX: 501, 502, 503, 501A, 502A, Trafo 13470 UG
also das ganze Vorkriegs-Sortiment bis auf die Zusatzkasten und die schwarzen Kasten:
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MMP_1940_#BP40D-01r.jpg
Dieses Prospekt, gekennzeichnet mit
BP. 40. D., erschien auch in italienischer und in französischer Sprache; das Erscheinungsdatum geht aus der Kennzeichnung
10 40 auf der letzten Seite hervor.
Da aufgrund kriegswirtschaftlicher Vorgaben und personeller Engpässe durch Einberufungen nicht von nennenswerten Produktionskapazitäten ausgegangen werden kann, bezog sich das Prospekt-Angebot im wesentlichen wohl auf lagermäßig vorhandene Ware. Die Gunst der Stunde nutzend, versuchte MÄRKLIN offenbar die durch die Kriegsereignisse weggebrochenen deutschen Marktanteile im verbündeten Italien und im besetzten Frankreich wettzumachen. Das scheint offenbar auch gelungen zu sein, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen.
In den vergangenen Jahren habe ich einige MÄRKLIN Metallbaukasten erworben, deren Herkunft mir zunächst zweifelhaft erschien. Es handelt sich um die Kasten mit Vorkriegs-Deckelbild, -Bezeichnungen und -Inhalt. Ein gemeinsames Merkmal ist die schlechte Qualität der mit hauchdünner Kaschierung versehenen Schachteln, die durchweg in schlechtem Zustand sind. Ferner enthalten die Kasten blau kaschierte Schraubenschachteln aus Pappe, die mit einer weißen Banderole, versehen mit dem Bild "Knabe mit Turmdrehkran" aus den 1920er Jahren umklebt sind.
Die Grundkasten enthalten das Anleitungsheft Nr. 71a (RN 1039 i), ein Nachdruck des Heftes 71a (AN 1039 i) von 1939, jedoch auf sehr holzhaltigem, inzwischen gebräunten Papier, ohne Hakenkreuz auf dem Leitwerk des abgebildeten Flugzeugs aus dem Baukasten Nr. 1152 und mit einem MÄRKLIN-Schriftzug anstelle der Firmengebäude auf der Rückseite. Dieser Nachdruck ist vermutlich bereits 1945 erfolgt, das Heft wurde noch bis 1949/50 den ab Ende 1947 erhältlichen neuen MÄRKLIN Metallbaukasten Nr. 101 und 102 zusammen mit dem Übergangs-Heft Nr. 71z beigegeben.
Zunächst einige Abbildungen dieser Kasten, die ich bisher jedoch noch nicht selbst fotografiert, näher untersucht, geschweige denn restauriert habe.
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GK_1_1946-02.jpg
Deckelbild des Kasten Nr. 1.
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GK_1_1946-01.jpg
Inhalt des Kastens.
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GK_2F_1946a-01.jpg
Deckelbild des Kasten Nr. 2.
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GK_2F_1946a-02.jpg
Inhalt des Kastens.
Zum Inhalt dieser Grundkasten ist zu bemerken:
- es sind keine Aluminiumteile enthalten,
- die Räder Nr. 20, 22 und 23 sind aus Stahl mit Silberbronze- oder roter (Nr. 22) Lackierung
- die Rechteckplatten Nr. 52 haben nur Rundlöcher und entsprechen damit der bis 1921 verwendeten Ausführung
- der Lasthaken Nr. 57 entspricht der von MECCANO 1908 eingeführten und von MÄRKLIN bis 1919 verwendeten Form
- die Windmühlenflügel Nr. 61 sind entsprechen der Ausführung von vor 1918, sie haben keine runden Sicken wie später
Nach meiner und der Beobachtung anderer MBK-Kenner tauchen solche Kasten praktisch nur in der ehemals amerikanisch besetzten Zone auf. Daher ist anzunehmen, daß diese Kasten ab 1945 für die amerikanischen Besatzer unter Benutzung noch vorhandener Teile aus der Frühzeit des MÄRKLIN Metallbaukastens hergestellt worden sind. Bestärkt wurde diese Annahme durch einen Kasten Nr. 2 dieser Art, der eine englische Ausgabe der Anleitung Nr. 71a von 1937 beinhaltete.
Besonder krass tritt diese Vorgehensweise bei dem folgenden Beispiel zutage:
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2020-08-24 Märklin 2A 07.jpg
Deckel des Kastens Nr. 2A.
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2020-08-24 Märklin 2A 02.jpg
Inhalt des Kastens.
Für diesen wohl sehr wenig nachgefragten Kasten wurden offenbar sämtliche noch vorhandenen Bestände aus alten Zeiten verwendet oder 'passend' gemacht:
- Lochbänder und Winkelträger sind vernickelt und stammen möglicherweise noch aus der Berliner MECCANO Niederlassung.
- es gibt aber auch hochglänzende, vernickelte Lochplatten, die nach 1921 entstanden sein müssen, wie das Lochbild erkennnen läßt
- fehlende Rechteckplatten Nr. 53 sind durch nach Platten Nr. 52 ersetzt, die nach der 7. Lochreihe abgeschnitten wurden, d. h. die Flansche sind auf den falschen Seiten
- Die Spurkranzräder Nr. 20 sind Ausschußware, das eine besteht aus zwei Vorderseiten, das andere hat eine unbrauchbare Schnurlaufrille. Beide sind aus Stahl mit Siberbronze-Lackierung.
Es gibt aber auch andere Varianten, wie das folgende Bild aus einem Verkaufsangebot zeigt:
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EK_2A_1940-47 02.jpg
Inhalt eines Kastens Nr. 2A von 1945/46.
Was ich mit diesen Kasten zeigen wollte: 1945/46 gab es vermutlich keine verfügbaren Aluminiumteile, auch nicht bei den in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre durchweg in Aluminium gelieferten Rädern Nr. 20 und 22.
Jetzt zeige ich noch zwei frühe neue Nachkriegskasten:
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1947_#102-01_Oberseite_Deckel_#0658.jpg
MÄRKLIN Metallbaukasten Nr. 102 von 1947/48.
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1947_#102-10_Kasten_bestückt_#0679.jpg
Inhalt des Kastens Nr. 102
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1948_#102A-01_Oberseite_Deckel_#0666.jpg
MÄRKLIN Metallbaukasten Nr. 102A von 1947/48
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1948_#102A-07_Kasten_bestückt_#0709.jpg
Inhalt des Kastens.
Die Altersangabe des Kastens Nr. 102 ist durch die inliegende Übergangs-Anleitung Nr. 71z von 1947 belegt. Beim Kasten Nr. 102A, der vom gleichen Besitzer stammt, kann angenommen werden, daß er ein Jahr später erworben wurde.
An Aluminiumteilen enthalten beide Kasten die neuen Verkleidungsplatten und der Kasten Nr. 102 zusätzlich die vier rot lackierten Spurkranzräder Nr. 20.
Der 1950 ausgebrochene Korea-Krieg hatte zur Folge, daß die damit in Gang gesetzte Aufrüstung die Nachfrage nach Stahl drastisch erhöhte. Für Deutschland hatte das zur Folge, daß die von den Alliierten auferlegten Restriktionen gelockert und damit das Deutsche Wirtschaftswunder in Gang gesetzt wurde, sodaß D ab 1955 der weltweit drittgrößte Stahlerzeuger wurde. Die erhöhte Nachfrage bedingte natürlich erhöhte Preise. Leider habe ich keine diesbezügliche Statistik finden können. Ein Indiz dafür ist jedoch die Erhöhung der Baukasten-Preise ab 1951 um 5 - 10% (danach blieben die Preise bis 1964, also 14! Jahre konstant).
Als Reaktion auf die gestiegenen Preise oder auch mangelnde Verfügbarkeit von Stahlblech wich MÄRKLIN auf den teilweisen Ersatz durch Aluminium aus. Zusätzlich zu den bereits vor dem Krieg aus Mangel an Messing in Aluminium gefertigten Teilen kamen nun auch bisherige Teile aus Stahl. Das betraf vor allem:
- kurze Lochbänder und Winkelträger bis 11 Loch Länge (als Exot besitze ich einen 17 Loch Winkelträger aus Alu)
- Rechteck- und Sektorplatten Nr. 52, 53 und 54
- Runde Platten Nr. 66/8, 66/9,5 und 67
- Verbindungsbügel Nr. 60/5 und 60/7
- Bogenband Nr. 110/5
Ab ca. 1955 kamen dann wieder die ursprünglichen Materialien Stahl und Messing zur Anwendung.
Gruß
Norbert
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